Angst als politisches Mittel

25.03.2023

Ende Januar 2020 kam es zum ersten offiziell bestätigten Fall einer Infektion mit dem Erreger SARS-CoV-2 und damit nahm die COVID-19-Pandemie in Deutschland ihren Lauf.

Es ist üblich, dass sich die Politik bei neuen Problemstellungen von Experten Infos und Einschätzungen als Entscheidungsgrundlage einholt - so auch in diesem Fall. Ein drohende weltweite Pandemie mit solchen Ausmaßen hatte es bislang noch nicht gegeben. Staatssekretär Markus Kerber beauftragte Mitte März eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern mit der Erstellung eines sog. "Strategiepapiers", dass verschiedene Szenarien zur Ausbreitung des Coronavirus und entsprechende Handlungsvorschläge darlegen sollte. Innerhalb weniger Tage wurde das 17seitige Skript erstellt und am 8. April dem "Ausschuss für Inneres und Heimat" des Bundestages übersandt.

Dieses Strategiepapier mit dem Titel "Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen" war zunächst nur für den Dienstgebrauch bestimmt, wurde schließlich auf der Webseite des Bundestages veröffentlicht, aber dann doch aus dem Netz genommen. Ich habe dieses Papier damals per Download gesichert. Es ist identisch mit der Version, die Ihr hier einsehen und downloaden könnt.

Für all diejenigen, die keine Lust haben, sich durch die 17 Seiten zu lesen hier eine kurze Zusammenfassung:

Gleich zu Beginn kommen die Autoren zu der Einschätzung "dass eine Unterschätzung der Größenordnung dieser Herausforderung zu immensen, irreversiblen Schäden führen wird." Es soll unter allen Umständen verhindert werden, dass ein worst-case-Szenario Realität wird. Anhand von Modellrechnungen werden drei Szenarien beschrieben:

  • Szenario 1 - "Worst-Case" mit hoher Ausbreitungsgeschwindigkeit, einer hoher Sterblichkeit mit etwa einer Million Todesfällen innerhalb weniger Wochen bei einem kollabierenden Gesundheitssystem mit zu wenig Intensivbetten und Beatmungsmöglichkeiten
  • Szenario 2 - "Dehnung": durch Kontakteinschränkungen wird die Ausbreitungsgeschwindigkeit verlangsamt (gedehnt). Trotzdem kommt es zu einer massiven Überlastung des Gesundheitssystems. Diese Prognose geht von 220.000 Todesfällen innerhalb von wenigen Monaten aus
  • Szenario 3 - "Hammer and Dance" mit umfangreichen Einschränkungen (= Hammer), zahlreichen Testungen und konsequentem Isolieren von Erkrankten und sog. Primärpersonen. Prognostiziert werden bei dieser Variante nur noch etwa 12.000 Sterbefälle

Ganz nebenbei bemerkt: Das Strategiepapier enthält übrigens keine Hinweise, wie man zu diesen Zahlen gekommen ist und verweist lediglich auf Daten aus Südkorea. Eine Auflistung der Verfasser sucht man vergeblich.

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Szenarien werden besprochen. Im schlimmsten Fall könnte es sein, "dass dies die Gemeinschaft in einen völlig anderen Grundzustand bis hin zur Anarchie verändert." Auch hier werden (diesmal vier) mögliche Szenarien vorgestellt ("Schnelle Kontrolle", "Rückkehr der Krise", "langes Leiden", "Abgrund"). Es werden notwendige wirtschaftspolitische Maßnahmen vorgeschlagen, um zur schnellen Kontrolle zu gelangen (Ausweitung der Kurzarbeit, Liquiditätshilfen, Staatsbeteiligung an angeschlagenen Großkonzernen, steuerliche Entlastungen, konjunkturelle Maßnahmen nach Ende der Krise, EU-Gemeinschaftsanleihen zur Gegenfinanzierung)

Als nächstes werden Schlussfolgerungen für Maßnahmen und die Kommunikation vorgestellt. Dieses Kapitel ist am verstörendsten. Es soll unbedingt und aussschließlich auf die Folgen eines Worst-Case-Szenarios hingewiesen werden, um die Bevölkerung zur geschlossenen Umsetzung von notwendigen Maßnahmen zu beschwören. Dabei soll bewusste eine "Schockwirkung" in der Gesellschaft hervorgerufen werden. Hier einige Zitate:

  • Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst...
  • Kinder werden sich leicht anstecken... Wenn sie dann ihre Eltern anstecken und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein...ist das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.
  • Selbst anscheinend Geheilte...können...jederzeit Rückfälle erleben, die dann ganz plötzlich tödlich enden... Dies mögen Einzelfälle sein, werden aber ständig wie ein Damoklesschwert über denjenigen schweben, die einmal infiziert waren.

Diese oder ähnliche Inhalte sollen mit einer deutschlandweiten "Aufklärungs- und Mobilisierungskampagne" unters Volk gebracht werden.
Deutschland solle eine Vorreiterrolle bei der Eindämmung der Epidemie übernehmen. Aus diesem Grund wird dringend empfohlen, die Testkapazitäten massivst auszubauen. "Um das Testen schneller und effizienter zu machen, ist längerfristig der Einsatz von Big Data und Location Tracking unumgänglich." Übersetzt heisst das, dass man aufgrund der besonderen Situation sehr viele persönliche Daten und darüber hinaus auch Positionsdaten (wer befindet sich wo) benötigt, die ja später auch über diverse Apps gesammelt wurden.

Es wird gefordert, konsequent alle positiv getesteten Personen zu Hause oder in Quarantäneanlagen zu isolieren und Sozialkontakte massiv abzusenken. Es soll auf die zwingende Notwendigkeit einer "zivilgesellschaftlichen Solidarität" hingewiesen werden. "Dazu braucht es ein gemeinsames Narrativ (#wirbleibenzuhause, oder..."physische Distanz - gesellschaftliche Solidarität") und im besten Fall viele Gesichter (Prominente, Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler), die sich mit der Kampagne identifizieren."

Empfohlen wird auch schon ein "Fakten-Check", um der Verbreitung von Falschinformationen (was auch immer damit gemeint sein soll) zu unterbinden.

Der politische Handlungsstrang während der Corona-Pandemie zeigt sehr deutlich, wieviel Eindruck dieses Strategiepapier bei den politischen Entscheidern hinterlassen haben muss. Von Anfang an wurde wie dort vorgeschlagen das Spiel mit der "kollektiven" Angst eingesetzt. Diese Angst fiel in unserer Gesellschaft auf einen gut vorbereiteten Boden. Weil wir in Deutschland schon seit geraumer Zeit einen Hang zum Dramatisieren zeigen, stehen nicht nur Versicherungen hoch im Kurs. Jeder ordentliche Wind, jeder heftige Regen, jede Schneeflocke wird zu einer Unwetterwarnung aufgebauscht. Als "Vollkasko-Mentalität" bezeichnet man den Hang von Wirtschaft und Bevölkerung, für alles und jede Unwägbarkeit den "Vater Staat" (in erster Linie finanziell) um Hilfe zu bitten. Egal, um welches Thema es geht, wir trauen uns immer weniger zu, es selbst zu schaffen.

Dabei ist Angst bekanntermaßen ein schlechter Ratgeber. Angst wird dazu genutzt, Menschen gefügiger zu machen. Angst ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für eine Massenbildung, in der der eigene Wille immer mehr zurückgedrängt und der Mensch blind für alles wird, was der Überzeugung der Masse zuwiderläuft. Die Menschen in der Masse werden deutlich intoleranter gegenüber abweichenden Meinungen. Die Masse ist dabei relativ leicht lenk- und beeinflussbar. So geschehen auch in der Corona-Zeit (Stichwort: "Spaltung der Gesellschaft")
Angst hat aber auch noch eine weitere, dramatische Auswirkung. Der Gegenpol der Angst ist die Sicherheit. Doch Sicherheit hat ihren Preis. Ein Beispiel: Die krasseste Form, seine Kinder vor Mördern oder Pädophilen zu schützen, wäre, sie nicht mehr alleine draußen spielen zu lassen. Der Preis der Sicherheit ist nicht nur in diesem Fall die Freiheit. Sicherheit wird von der Politik immer zusammen mit notwendiger verstärkter Kontrolle verkauft. Wer vor Terroristen sicher sein will, kann ja nichts gegen Kameras an allen öffentlichen Plätzen haben. Wer nichts zu verbergen hat, kann ja nichts gegen den gläsernen Bürger haben. Sicherheit steht der Freiheit diametral entgegen!
Eine angstgeprägte Masse ist sehr empfänglich für Stimmungen. Zum Beispiel die Wut über diejenigen, die nicht mitmachen. So wurde aus den Ungeimpften mit breiter verbaler Unterstützung zahlreicher Politiker die unsolidarischen, egoistischen, unwissenschaftlichen Coronaleugner, die eine Gefahr für den Staat und die Gesellschaft darstellten, so dass man sie auch öffentlich diskreditieren und sie in ihrer Freiheit einschränken konnte.

Zurück zum Strategiepapier: ich kreide der Regierung nicht an, dass sie unter allen Umständen das Worst-Case-Szenario zu verhindern versuchte. Zu Beginn der Pandemie waren die Folgen schwer abschätzbar. Doch spätestens mit dem Auftreten der "harmloseren" Omikron-Variante hätte man von der Katastrophen-basierten Sichtweise Abstand nehmen müssen. Die in 2022 durchgeführten Maßnahmen waren zumindest maßlos überzogen und de facto nicht wissenschaftsbasiert. Die noch in 2022 erfolgten Bestellungen von Millionen von Impfstoffen waren wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Unsinn (da kaum noch eine Wirkung zu erwarten war). Die Kollateralschäden insbesondere unter den Kindern und Senioren unserer Gesellschaft standen in keinem Zusammenhang zum Nutzen. Keiner wird je das Leid ermessen können, das beispielsweise den Menschen in den Senioreneinrichtungen zugefügt wurde. Keiner wird je ermitteln können, wieviele Menschen an und in Einsamkeit gestorben sind. Keiner zählt die Kleinstunternehmer, Gastronomen und Künstler, die die Coronazeit wirtschaftlich nicht überlebt haben. Keiner kennt die Zahlen der Angsterkrankungen, die uns aufgrund der Panikmache in den vergangenen drei Jahren noch jahrzehntelang begleiten werden.

Fazit: Die Politik hat sich zu früh und zu einseitig festgelegt - sowohl in der Sicht der Dinge, der Maßnahmen, aber auch in der Auswahl der Experten. Da spricht es Bände, wenn der anfangs verantwortliche Jens Spahn ein Buch mit dem Titel "Wir werden einander viel verzeihen müssen" schreibt und auf die Frage eines Journalisten, wem er denn zuletzt verziehen habe antwortet: "Im Zweifel mir selbst".

Das o.g. Strategiepapier stand übrigens auch den Medien zur Verfügung. Es ist schon sehr bemerkenswert, dass die brisanten Inhalte den Medien keinen einzigen Artikel oder Bericht wert waren. Ein weiteres Indiz für den kompletten Totalausfall der Medien, die ihrer wichtigen Kontrollfunktionen nicht nachgekommen sind.

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